Am Bau begegnen uns zwei Arten von digitalen Tools: Die einen sind »lediglich« technologische Upgrades. Das heißt, sie ersetzen sozusagen Stift und Papier – aber eben nicht den Faktor Mensch. Ein gutes Beispiel dafür sind digitale Sicherheitsunterweisungen, das Abrufen von wichtigen Informationen, die Dokumentation von Arbeitsunfällen oder die Auflistung von Gefahrenstoffen. Kurzum: Hier ersetzt das Digitale die altgediente Zettelwirtschaft. Die anderen digitalen Tools wiederum stehen für neue Innovationen, sprich, sie ermöglichen Arbeitsprozesse, Arbeitsabläufe oder auch Arbeitsweisen, die ein Mensch nicht erfüllen kann oder bei denen der Aufwand zu groß wäre. Ein Sinnbild dafür ist beispielsweise die Nutzung autonom agierender KI-Drohnen, um Sicherheitsrisiken auf der Baustelle ausfindig zu machen, Vermessungen sowie Analysen durchzuführen sowie den Baufortschritt zu dokumentieren.
Der Mensch greift dann über sein Smartphone oder vom Büroplatz aus auf die gesammelten Daten zurück und kann diese weiterverarbeiten. Würde ein Mensch diese Aufgaben übernehmen, müsste er nicht nur einen Helikopter mieten, sondern wäre auch Stunden, vermutlich Tage damit beschäftigt, das Gesehene aus der Luft zu Papier zu bringen – geschweige denn für Folgeprozesse zu analysieren und auszuwerten. Der KI gelingt das im wahrsten Sinne im Flug. Überdies lassen sich Drohnen mittlerweile auch für die Baustellenüberwachung verwenden. Der Clou: Am Markt befinden sich Systeme, die mittlerweile völlig autark funktionieren. Die Drohne befindet sich in einem auf der Baustelle platzierten »Koffer«, der, um vor Diebstahl zu schützen, fest im Beton verankert wird. Der Mensch erteilt lediglich den Auftrag, sprich, er teilt der Drohne mit, welche Arbeit zu verrichten ist. Weiß die Drohne, dass das Gelände vermessen, überwacht, analysiert, überprüft, fotografiert, gefilmt oder dokumentiert werden soll, funktioniert sie ab diesem Augenblick vollkommen autonom. Vor jedem Flug überprüft das System die Wind- und Wetterverhältnisse und kehrt eigenständig zu seiner Kofferstation zurück, wenn die Arbeit erledigt ist oder der Akku neu aufgeladen werden muss.
Digitale Tools können Leben retten: Am Markt finden sich z. B. Lösungen, die automatisch Hilfe anfordern oder den Notruf wählen, sobald ein Alleinarbeiter gestürzt ist, einen Herzinfarkt hatte oder einen Stromschlag erlitten hat.
Sicherheit am Bau
In erster Linie erweist sich die Digitalisierung aber als zweckmäßige Hilfe, etwa um langwierigen Papierkram zu erledigen: Bezogen auf die Bereiche Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit helfen digitale Tools grundsätzlich erst mal dabei, den Überblick zu behalten und Informationen bereitzustellen. Das beginnt mit dem klassischen Baustellenmanagement: Ein Blick auf das Tablet oder Smartphone reicht, um zu wissen, welche Aufgaben heute erledigt werden müssen. Über ein digitales Flottenmanagement weiß der Unternehmer, wo sich welche Maschinen und Geräte befinden und in welchen Arbeitsbereichen gerade Aktivität vorherrscht. Im nächsten Schritt informiert das System beispielsweise darüber, ob Maschinen und Geräte einen Defekt aufweisen oder ob Wartungs- und Servicepflichten bestehen. Im selben Atemzug sind heutige Lösungen dazu in der Lage, benötigtes Material zu beschaffen – sowohl teil- als auch vollautonom. Das betrifft in diesem Fall übrigens auch Persönliche Schutzausrüstung: Mittlerweile verfügen die Produkte über einen digitalen Fingerabdruck, d. h., es muss ersichtlich sein, wann der Sicherheitshandschuh oder -helm gefertigt wurde und ab wann der Auffanggurt aufgrund von möglichen Defekten oder Abnutzungserscheinungen geprüft oder gar ausgetauscht werden muss.
Sowohl zur Unfalldokumentation als auch zum digitalen Festhalten des jeweiligen Baufortschritts können smarte Systeme äußerst hilfreich und vor allem zeitsparend sein.
Pflichten digitalisieren
Eines ist an dieser Stelle unbestritten: Der Vormarsch digitaler Tools hat der Baubranche einen Bärendienst erwiesen, wenn es um Dokumentationspflichten, Sicherheitsunterweisungen oder die Durchforstung gesetzlicher Vorgaben geht. Der gesetzlich verpflichtende Arbeitsschutz bildet im Zusammenspiel mit den zwei Säulen BEM und BGF die Basis eines betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM). Die gesetzlichen Vorgaben unterscheiden sich je nach Branche und Größe des Betriebes. Von der allgemeinen Sicherheitsunterweisung und der Dokumentation von Arbeitsunfällen über die Auflistung der Gefahrstoffe bis hin zur ausführlichen Gefährdungsbeurteilung können die verpflichtenden Maßnahmen Betriebe schnell vor eine organisatorische Herausforderung stellen. Mit heutigen digitalen Mitteln kann das gesamte Arbeitsschutzmanagement unterstützt oder zumindest begleitet werden. Fakt ist: Die Sicherheit bei der Arbeit ist nicht nur gesetzliche Pflicht, sondern kann die Leistung des Unternehmens nachhaltig steigern. Wird der Arbeitsschutz im Unternehmen gut gepflegt, bietet er bereits die optimale Voraussetzung für ein ganzheitliches Gesundheitsmanagement.
Am Markt finden sich Lösungen für den Arbeitsschutz, die mit wahrlich wichtigen Funktionen ausgestattet sind: Im Detail geht es darum, bei der Gefährdungsbeurteilung, der Unfallerfassung, der Überprüfung von PSA, der Unterweisungsplanung und -dokumentation sowie bei mobilen Begehungen, dem Gefahrstoffkataster, der Erfassung von Arbeits- und Betriebsmitteln und der Erstellung und Verwaltung von Betriebsanweisungen zu unterstützen. Möglich machen diese Systeme in der Regel auch individuelle Reports, die Erstellung von Berichten und Statistiken, die Einbindung externer Fachkräfte, die Terminplanung, die Verknüpfung von PSA in die jeweilige Mitarbeiter-Kartei sowie das Hinterlegen von Fotos und Sprachnotizen. Manche Lösungen bieten darüber hinaus auch ein umfassendes Rechts- und Fristenmanagement sowie digitale Unterweisungen. Viel Aufmerksamkeit dürften in Zukunft allerdings auch sogenannte Mitarbeiter-Apps erhalten, die explizit auf die Bedürfnisse eines Unternehmens zugeschnitten sind. Der Käufer entscheidet, welche Tools er benötigt, wie die Bedienoberfläche auszusehen hat, und kann dabei auch die Wünsche seiner Mitarbeiter berücksichtigen. Was die individuelle App letztlich kann, hängt davon ab, was die Firma braucht. Sinnvoll ist dieser Grundsatz deshalb, weil das Unternehmen das System gleichzeitig als internes Kommunikationstool nutzen kann – der Preis für derartige Lösungen ist jedoch aufgrund der hohen Individualität entsprechend hoch.
Kommen auf Baustellen immer häufiger zum Einsatz: Drohnen erweisen sich bei der Dokumentation, Analyse, Überwachung und Vermessung als extrem effiziente Helfer.
Handwerkersoftware
Ein wichtiger Stichpunkt auf Baustellen bleibt im Übrigen auch die Qualitätssicherung: Mit digitalen Abnahmeprotokollen lässt sich die Baustelle direkt vor Ort dokumentieren. Im Klartext heißt das, der Handwerker erfasst Mängel, nimmt das Kundenfeedback auf, fügt Fotos und Notizen hinzu oder erstellt sofort verfügbare Protokolle für eine reibungslose Kommunikation. Viel Zeit und sicherlich auch Nerven ersparen überdies Regieberichte: Diese können digital in Echtzeit erstellt werden und dokumentieren Baufortschritte sowie die Ressourcennutzung – komplett transparent für alle Beteiligten. Erfassen lassen sich gleichzeitig Arbeitsstunden, der Materialverbrauch sowie Zusatzkosten. Der Vorteil: Alle eingegebenen Daten lassen sich direkt im Büro abrufen. Statt dem Chef oder der jeweiligen Abteilung also kurz vor Arbeitsende noch den händisch ausgefüllten Zettelhaufen in die Hand zu drücken, kann die Firma in Echtzeit auf alles zugreifen, was der Handwerker vor Ort digital hinterlegt hat. Ein Beispiel: Die Firma schickt am frühen Morgen mehrere Wagen raus. Eines der Teams trifft auf der Baustelle ein und stellt fest, dass Beschädigungen entstanden sind, nicht genügend Baumaterial vor Ort ist, zwei Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfallen oder der Kunde mit einer langen Mängelliste um die Ecke kommt. Statt wie früher zahllose Telefongespräche führen oder gar zurück in die Firma fahren zu müssen, kann der Mitarbeiter alle Informationen digital festhalten und direkt an die entsprechende Stelle weiterleiten. Nimmt das Unternehmen genug Geld in die Hand, kann der Mitarbeiter sogar auf ein digitales Tool zurückgreifen, das einige der Aufgaben autonom übernimmt, etwa indem es fehlendes Arbeitsmaterial bestellt, bezahlt und zur Baustelle liefern lässt.
Sinnvolle Chatfunktion
Als lästig wird häufig auch die Dokumentation empfunden – etwa um den täglichen Baufortschritt festzuhalten. Das betrifft zum einen das Zeitmanagement, zum anderen den Materialverbrauch und die jeweils notwendige Mitarbeiteranwesenheit. Am Markt findet sich eine Reihe an Anbietern, die vorgefertigte oder auch individuell angepasste Berichtsvorlagen zur Verfügung stellen, um die Dokumentation nicht nur zu vereinfachen, sondern auch schneller abzuwickeln. Derartige Systeme ermöglichen überdies digitale Unterschriften. Soll heißen: Tablet raus, Unterschrift drauf, und das Projekt ist abgenommen. Ein digitales Tool, das die meisten Deutschen mittlerweile seit Jahren nutzen, sind Messenger-Dienste. Jeder, der beispielsweise WhatsApp nutzt, weiß, wie schnell, effizient und einfach Kommunikation heutzutage aussehen kann. Innerhalb von Sekunden lassen sich Fotos, Videos sowie Sprach- und Textnachrichten teilen. Was im Privaten hervorragend funktioniert, lässt sich völlig unkompliziert in die Arbeitswelt tragen. Entweder der Unternehmer entscheidet sich dazu, bereits gängige Messenger zu verwenden, oder er nutzt individualisierte und damit firmeneigene Kommunikations-Apps. Der Vorteil hier ist in erster Linie, das niemand mitlesen kann und sich sensible Firmendaten sicher übertragen, speichern und teilen lassen. Im Idealfall ist ein solcher interner Messenger direkt mit einer Cloud-Software verknüpft, sodass alle Informationen, Hinweise, Warnungen und Meldungen von weiteren Personen und Abteilungen abrufbar sind – und das in Sekundenschnelle.
Digitale Lebensretter
Die Digitalisierung am Bau kann allerdings auch direkt »am Menschen« stattfinden. Ein hervorragendes Beispiel dafür sind sogenannte Notrufsysteme für Alleinarbeiter. Dabei handelt es sich um smarte Lebensretter, die, kaum größer als eine Gürtelschnalle, am Bund getragen werden. Das System erkennt Gefahren, etwa wenn die Person regungslos am Boden liegt, gestürzt ist oder einen Elektrounfall erlitten hat, und ruft selbstständig Hilfe. Zum Hintergrund: Hat der Alleinarbeiter einen Herzinfarkt, wurde er von herabfallenden Gegenständen getroffen oder ist ungünstig ausgerutscht, bekommt das in der Regel niemand mit. Trägt er das System am Gürtel, wird eine von der Firma vorgegebene Kontaktperson oder direkt der Notarzt gerufen. Derart smarte Helfer erweisen sich damit als echte digitale Lebensretter.
Smarte Maschinen
Ein weiterer Teilbereich der digitalen Tools am Bau bezieht sich auf die Nutzung smarter Lösungen in Baumaschinen. Mit Blick auf die Sicherheit sind hier in erster Linie alle Assistenzsysteme zu nennen, die dabei helfen, Unfälle zu vermeiden und Leben zu retten. Ein Radlader, Muldenkipper oder Bagger lässt sich heutzutage z. B. mit 360°-Rundumsicht ausstatten. Ein Geflecht aus Sensoren und Kameras hilft dabei, den Arbeitsbereich permanent im Blick zu behalten. Zum einen warnt der digitale Helfer vor Objekten, um Unfälle zu vermeiden, zum anderen erkennen KI-basierte Systeme, wenn sich Personen im Gefahrenbereich aufhalten. Der Maschinist wird dann unmittelbar mit akustischen, optischen sowie haptischen Warnsignalen auf die Gefahr aufmerksam gemacht. Nicht zu unterschätzen ist außerdem, dass digitale Systeme die Maschine selbst überwachen: Droht beispielsweise eine Überladung der Mulde oder Schaufel, kann die Baumaschine schnell instabil werden – bei entsprechend schlechten Bodenverhältnissen bricht die Maschine im schlimmsten Fall zur Seite weg. Um das Unfallpotenzial zu verringern und um Maschinenschäden auszuschließen, lassen sich digitale Lade- und Wägesysteme nutzen. Die Digitalisierung hat darüber hinaus gewaltige Fortschritte auf dem Gebiet der Maschinenüberwachung und -diagnose gemacht. Innovative Systeme erkennen, wenn Motor- oder Hydraulikkomponenten defekt sowie Wartungs- und Servicearbeiten notwendig sind.
Spannend ist in diesem Zusammenhang im Übrigen, dass sich auf vielen Baumaschinen und -geräten mittlerweile spezielle QR-Codes befinden. Mit der Smartphone-Kamera abgescannt, lassen sich alle notwendigen Maschinendaten begutachten – hinterlegen lassen sich gleichzeitig Warnhinweise, Betriebsanleitungen sowie Vorgaben zu bestimmten Reparatur- und Wartungsarbeiten. Der Hintergrund ist der, dass der Maschinist im Notfall nicht erst aufwändig nach Informationen suchen muss. Ihm werden alle wichtigen Daten übersichtlich zur Verfügung gestellt. Ist der QR-Code dann z. B. auch noch mit einer Cloud-Anwendung verknüpft, die den Zugriff auf ein firmeninternes Managementsystem zulässt, kann der Maschinist gleich auch noch die Dokumentation erledigen. Sowohl der Vorgesetzte als auch der Mechaniker, der Händler oder der Hersteller erfahren dadurch in Echtzeit, wenn etwas nicht mit der Maschine stimmt oder ob ein Sicherheit- und Unfallrisiko besteht.
Ein »Digitalfazit«
Zugegeben, die Baubranche strotzt vor smarten Lösungen: An jeder Ecke finden sich innovative digitale Helfer – und viele von ihnen sind auch tatsächlich nützlich. Wichtig ist nur, klug abzuwägen: Kauf und Nutzung solcher Systeme sind in erster Linie kostenintensiv, machen sich bei näherer Betrachtung aber schneller bezahlt, als man denkt. In erster Linie betrifft das das generelle Baustellenmanagement: Von der automatisierten Materialbeschaffung und digitalen Sicherheitseinweisung über Personal- und Zeitmanagement sowie die Erfüllung der Nachweispflicht bis zur zeitintensiven Baustellen- und Unfalldokumentation lassen sich alle relevanten Aufgaben digital abwickeln. Der Clou: Mit der Nutzung guter und vor allem cloudbasierter Software kann die gesamte Firma jederzeit auf alles zugreifen. Das beschleunigt einzelne Arbeitsprozesse ungemein und weist die ungeliebte Zettelwirtschaft endgültig in ihre Schranken. Geht es um aktive Arbeitssicherheit, haben digitale Helfer den Vorteil, keine Unachtsamkeit zu kennen. Entgegen dem Menschen wird ein digitales Tool niemals müde, ignoriert niemals Warnhinweise oder wird mit der Zeit übermütig. Richtig eingesetzt, sorgen smarte Systeme dafür, dass keine PSA, keine Einweisung, kein Prüftermin und auch keine Absicherung vergessen wird. Eine Wahrheit lässt sich an dieser Stelle allerdings nicht vom Tisch wischen: Die bauSICHERHEIT-Redaktion bekommt vor Ort auf Baustellen oft zu hören, dass die Digitalisierung einzelne Prozesse zwar verschlankt und damit Zeit spart, die »nervtötenden Pflichten« aber nicht egalisiert. Und die Antwort ist immer gleich: Das sollen sie auch nicht. Die vielen Regeln, Vorgaben und Richtlinien existieren, um Unfälle zu vermeiden und um sicherzustellen, dass der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern alle erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt, damit die Arbeit so gefahrlos wie möglich durchgeführt werden kann. Insbesondere bei der Überwachung von Baustellen, dem automatisierten Notruf bei Unfällen sowie der Überprüfung, Einsatzdokumentation und Nachbestellung von PSA sind digitale Tools unbestreitbar wichtig geworden.jvb